Martin Schmidt ist Journalist und seit 2019 TV-Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio. In seiner Arbeit setzt sich Schmidt vor allem mit der Partei AfD auseinander, berichtet zum Beispiel von deren Bundesparteitag. Im Gespräch mit Münster aktiv spricht Martin Schmidt über die wichtige Rolle, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Auseinandersetzung mit der AfD spielt, über mögliche Gefahren, die dem Sport drohen, wenn die – in Teilen gesichert rechtsextreme – AfD an Einfluss gewinnt und seine eigene Rolle als Berichterstatter.

Martin, Du bist Journalist in Berlin und setzt dich dabei intensiv mit der AfD auseinander. Inwiefern geht von der AfD auch eine Bedrohung für den Sport aus? Was ist deine Einschätzung?

Dazu fällt mir als erstes etwas aus den vergangenen Monaten ein: Man hat zum Beispiel an Äußerungen zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft während der Europameisterschaft gesehen, dass sich viele in der AfD offenbar an Mannschaften stören, die ihnen ihrer Auffassung nach zu bunt sind. Zu bunt, sprich nicht „deutsch“ genug. Das greift natürlich den Kern dessen an, was viele Vereine gerade in Deutschland ausmacht, dass sie Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen zusammenbringen und selbstverständlich auch Menschen mit Migrationshintergrund nicht das Deutschsein absprechen. Zum anderen hat die AfD grundsätzlich ein Problem mit großen Institutionen, die Vertrauen genießen: die Kirchen, die Gewerkschaften, Parteien, dazu gehören aber natürlich auch die Sportverbände und Vereine, weil sie Einfluss ausüben können und die AfD sich oftmals dadurch in Gefahr sieht.

Ein zweiter Aspekt hat zum Beispiel auch mit dem Thema Inklusion zu tun: Der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke hält die Inklusion von Kindern mit Behinderungen in die Regelschulen für ein reines „Ideologieprojekt“. Er stört sich daran, dass das die anderen Schüler nicht weiterbringe. Da geht es rein um die Idee der Leistungsgesellschaft. Menschen mit Behinderung stören die anderen bloß. Das sind Ansichten, die sehr zu denken geben.

Du sprachst schon vom Thema Leistungsgedanke. Mir war das gar nicht so bewusst, warum die AfD besonders die Förderung des Spitzensports im Fokus ihrer sportpolitischen Thesen hat. Da wird immer der Spitzensport nach vorne gestellt. Warum? 

Eines, was dabei sicher eine Rolle spielt, ist die starke Betonung der Nation und die Stärke, die diese Nation ausstrahlen soll. Ein überbordender Nationalstolz ist ja etwas, mit dem die AfD ohnehin auf Stimmenfang geht – offenbar auch erfolgreich. Selbstverständlich soll sich diese heraufbeschwörte Stärke dann auch in den sportlichen Wettkämpfen widerspiegeln. Man möchte zeigen, wie erfolgreich Deutschland ist – natürlich im Vergleich zu den anderen. So lässt sich die eigene Wertigkeit heben und der Volksbegriff weiter ideologisch aufladen. Ein schlechter Platz im olympischen Medaillenspiegel – wie soll ich den denn erklären, wenn ich doch stets von Überlegenheit und Größe predige. Natürlich gespeist und anknüpfend an eine Nostalgie, die ja auch weit verbreitet ist. Beispielsweise frei nach dem Vorurteilsmotto: “Früher gabs noch echten Schulsport mit echten Bundesjugendspielen – schlimm, wie das heute verweichlicht worden ist…”


Den Medaillenspiegel gibt es ja ohnehin schon. Aber der hat nichts mit dem zu tun, was die AfD meint, oder? 

Naja, wenn Deutschland nicht unter den Top-Nationen landet, dann ist es für die AfD nur schwer zu ertragen. Denn – des eigenen Selbstverständnisses der AfD folgend – müssten wir doch auf dem Treppchen stehen, weil wir zu den Besten zählen. Insofern ist es für die AfD nicht hinnehmbar, dass wir nach außen sichtbar weiter abrutschen. Das passt nicht zu diesem Elite-Gedanken. Alles daran ist für die AfD extrem emotional aufgeladen, alles dreht sich darum, über diesen Nationalbegriff Identifikation zu schaffen.

Hier in Münster ist meine nächste Frage noch nicht so drängend, aber zum Beispiel mit Blick auf die ostdeutschen Länder: Wie sollen Landes- oder Stadtsportbünde mit der AfD umgehen? Wenn zum Beispiel die AfD im Landtag sehr stark vertreten ist. Im Worst-Case hat man irgendwann einen Oberbürgermeister von der AfD. Was macht man dann? Wo hat man dann sofort als Landessportbund die roten Lampen an?

Ich bin natürlich Journalist, kein Aktivist oder Berater gegen oder für jemanden. Was ich sagen kann, ist, dass man die AfD beim Wort nehmen muss mit dem, was sie in ihre Programme schreiben oder in Wahlkämpfen erklären. Und Tendenzen zeigen sich ja auch in den Regionen, in denen die AfD schon jetzt mehr Einfluss gewonnen hat. Es geht beispielsweise darum, Demokratieförderprogramme massiv zu kürzen, weil die AfD diese meist als Angriff gegen sich selbst wertet. Viele dieser Programme sind auf Minderheitenschutz ausgerichtet, auf Toleranz und Vielfalt. Begriffe, die in der AfD vor allem als politische Kampfbegriffe empfunden werden. Auch der Breitensport könnte unter solchen Kürzungen bei der Förderung leiden.

Eine Frage, die im Zusammenhang mit der AfD ganz häufig diskutiert wird: Wäre es nicht sinnvoll, die Berichterstattung der AfD zu reduzieren, um ihr weniger Reichweite zu geben? Wie ist deine Einschätzung dazu? 

Sicherlich hat die AfD zu Beginn in ihrer Entstehungszeit davon profitiert, dass sie neu war. Etwas Neues, das mit extremeren Thesen daherkommt, ist interessant, das funktioniert auch vor allem in Talkshows sehr gut. So habe ich das zumindest aus der Entfernung wahrgenommen – ich bin ja erst 2019 nach Berlin gekommen. Vorher hatte es schon viele aufgeregte Diskussionen über radikale Äußerungen von AfD-Politikern gegeben. Die Präsenz von AfD-Politikern zum Beispiel im Fernsehen hat aber in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen – vergleicht man es mit der Anfangszeit. Dennoch hat die AfD gerade in dieser Zeit ihre Umfragewerte und auch Wahlergebnisse deutlich gesteigert. Mittlerweile muss man sagen, dass sich die AfD ohnehin ihre eigene Öffentlichkeit und ihr eigenes mediales Umfeld geschaffen hat. Auf ihren eigenen Kanälen und den der AfD wohlgesonnenen so genannten „alternativen Medien“ bekommt die AfD keinen Widerspruch. Dort sammelt sie schlicht Reichweite. Ich finde es wichtig, dass sich der „echte“ Journalismus weiterhin kritisch mit der AfD auseinandersetzt, sich die Partei auch weiterhin kritischen Fragen stellen muss. Auch, wenn es immer eine Herausforderung ist.

Text: Sabine Roters / Martin Schmidt
Foto: ARD Mediathek