Der „Jubi Lauf – Run“, so hieß das Motto bei der diesjährigen Ausgabe des Münster Marathons. Für mich ist der Heimmarathon ein fester Termin im Kalender und es sollte sich dieses Mal besonders lohnen. Für meinen jetzt schon 15ten Marathon hatte ich mir viel vorgenommen. Endlich sollte sie fallen, die Schallmauer Marathon unter 3 Stunden.

In der letztjährigen Ausgabe noch mit 3 Stunden und 27 Minuten wörtlich ins Ziel gequält habe ich das vergangene Jahr genutzt um an mir und meinen Fähigkeiten zu arbeiten. Kontinuierlich ging es Schritt für Schritt voran. Im Frühjahr ließ das Finish beim Hamburger Marathon in 3 Stunden und 11 Minuten schon freudiges erahnen aber was am Sonntag kam übertrifft alles Bisherige bei weitem.

Früh morgens machte ich mich nach einem leichten Frühstück auf den Weg. Meine fünfjährige Tochter verabschiedete mich mit den Worten „Papa für mich bist du eh der allerbeste, egal welche Zeit du läufst, ich hab dich lieb.“

Hier musste ich mir die ersten Tränen bereits verkneifen und eilte los. Um 8:00 Uhr schon traf ich vor dem Schloss auf meine Freunde und Laufbegeisterten der Running Crew Münster. Unsere Truppe um Coach David Schönherr hatte sich nicht nur gemeinsam intensiv vorbereitet, sondern sich auch mit vielen Einzelstarterinnen und Einzelstartern sowie Staffeln einiges vorgenommen.

Nun stand ich da also. Die Nervosität stieg langsam. Die Beine fühlten sich beim Einlaufen gut an, das Wetter noch leicht nebelig aber insgesamt perfekt aufgelegt. Nach motivierenden Worten von Trainer David: „Heute geht es um das, worauf ihr die ganzen letzten Wochen hingearbeitet habt. Ihr seid alle super vorbereitet und könnt an Euch selbst glauben.“ ging es in Richtung Start. Die Vorfreude stieg und stieg.

Vor der Startlinie war ich zunächst überrascht, wie weit vorne man eigentlich mit einer geplanten Zielzeit von unter 3 Stunden steht. Nur noch 5 Minuten. Schnell die Uhr kalibriert und die Teamkolleginnen und Teamkollegen noch einmal abgeklatscht. Von der Running Crew hatten sich fünf Läuferinnen und Läufer gefunden die gemeinsam das Ziel „unter 3 Stunden“ hatten.

Und dann kam er auch schon. Der Startschuss erschallte und es ging an der Seite der drei Stunden Pacer über die Startlinie. Die ersten Kilometer, gewohntes Umfeld, über die Aegidistraße ab durchs Kuhviertel und weiter über die Rothenburg in Richtung Promenade und Kreuzviertel. Hier in Höhe des Flugzeugspielplatzes sollte bereits das erste Highlight auf mich warten. An dieser für Zuschauer strategisch günstigen Stelle stand meine Frau mit unseren drei Kindern, meiner Schwägerin nebst Mann und Tochter sowie meinen Eltern und meinem Opa (90 Jahre alt!!!). Der Jubel und die Freude in ihren Augen motivierten mich und ich muss mich zum ersten Mal etwas bremsen. Die ersten fünf Kilometer flogen nur so dahin und ich merkte zunächst gar nicht dass ich bereits knapp 15 Sekunden hinter meiner Zielzeit lag. Nachdem ich auf der Melcherstraße meinen besten Freund und dessen Familie getroffen hatte wurde mir bewusst „Hey, ich fühle mich gut und locker, heute geht was.“ Meine Erfahrung mahnte mich jedoch „Bleib locker, am Ende kackt die Ente.“

Ich zügelte mich und blieb weiter im 4:15er Pace pro Kilometer. Ein paar schnellere Abschnitte pulverisierten bereits nach knapp 10km die scheinbar verlorenen 15 Sekunden. Immer in der Nähe der Zug- und Bremsläufer ging es Schritt für Schritt weiter und weiter. So merkten wir nach 14km mit etwas Überraschung, dass wir ja bereits ein Drittel der Strecke geschafft hatten. Hinter der Mensa traf ich dann das zweite Mal auf meine Eltern, die sich scheinbar extra beeilt hatten um mich dort noch einmal zu sehen. Von den Beinen war noch nichts zu merken und ich fühlte mich weiterhin wohl. Mit einem zweiten Energiegel im Magen ging es dann weiter in Richtung Halbmarathon. Ich hatte mir diesmal vorgenommen mich alle halbe Stunde so einem Gel fit zu halten, der Plan sollte später aufgehen.

Am Halbmarathon angekommen musste ich noch die restlichen Nachwehen des Anstiegs über die Brücke zwischen Horstmarer Landweg und Haus Uhlenkotten abschütteln. Glücklicherweise ließen sich die Zuschauer und auch die wartenden im Bereich der Staffelübergabe nicht lumpen und peitschten uns weiter an. Die Gruppe der Läuferinnen und Läufer um die 3 Stunden Pacer war mittlerweile auf ca. 20 Personen angewachsen. Einige wagten hier auch bereits die Flucht nach vorn. So auch einige meiner Mitstreiter aus der Running Crew Münster. Ich blieb zurück und folgte weiter dem Plan, auf keinen Fall wollte ich zu früh das Tempo anziehen und Gefahr laufen hinten raus einzugehen.

Nach Nienberge ging es also raus, raus aus Münsters Innenstadt, raus auf die Felder. Hier gab mit der Pacer Mike Claaßen den Tipp „Jan, bleib jetzt in der Gruppe, nutz den Windschatten, es wird sich auszahlen.“ Dankbar versuchte ich das so gut es ging umzusetzen. Ganz wohl war mir zunächst nicht. Die Pace fiel um einige Sekunden und ich wurde leicht nervös. Gleichwohl bemerkte ich wie der Zusammenhalt in der Gruppe wuchs hier gemeinsam etwas erreichen zu wollen.

So konnte ich die Phase zwischen 22km und 28km gut bewältigen. Am Twerenfeldweg traf ich erneut auf meine Eltern, Opa und meine Tochter. Mit glänzenden Augen winkte Amelie mir zu und ich muss mich an ihre Worte erinnern. Mit einer Gänsehaut ging es weiter und mir wurde bewusst „Hey zwei Drittel sind rum, jetzt nur nicht einbrechen!“

Schon nahte der 30te km und ich fing an zu rechnen. Über die Uhr wurde angezeigt, dass bei gleicher Pace die Zielzeit von unter 3 Stunden erreicht werden würde, sogar mit etwas Puffer. Leichte Euphorie und Vorfreude machte sich breit. Ich wurde mutiger und die Schritte entspannten sich etwas. Es sollte aber nicht so lange anhalten. Bei Kilometer 32 wurde mir klar, „Hey nur noch 10km, nein falsch, noch 10km, 10!!!“ Jetzt merkte ich auch wieviel Kraft der bisherige Weg gekostet hatte. Die Gels leisteten einen super Job und hielten die Muskeln fit aber die mentale Erschöpfung wurde größer und größer. Ich ahnte Schlimmeres, doch der Wille war groß und die Riesenchance die sich vor meinem geistigen Auge auftat verdrängte die Müdigkeit. Unsere Gruppe war mittlerweile auf drei Personen zusammengeschrumpft. Unser Pacer Christian Jonen machte einen grandiosen Job. Ich glaube ich wurde in meinem Leben beim Laufen noch nie so oft angebrüllt und angepeitscht „Zieht durch Männer, wir bleiben jetzt hier zusammen und ihr lasst euch das jetzt nicht mehr nehmen. Denkt an all die Kilometer die ihr hierfür abgespult habt. Hier bleibt keiner mehr zurück.“

So ging es Kilometer für Kilometer weiter. Die fantastische Stimmung in Gievenbeck hinter uns gelassen wurden auch die Umrisse der Innenstadt wieder sichtbar und das Ziel schien greifbarer.

Doch mehr und mehr musste ich feststellen „das geht nicht mehr lange gut“, ich musste richtig beißen um dran zu bleiben. Nichtsdestotrotz gelang es uns nochmal einige Sekunden schneller zu werden und den Puffer weiter auszubauen.

Über den Ring ging es nun in Richtung Robert-Koch-Straße und schon waren sie da, die magischen letzten 2 Kilometer. Die Schritte wurden immer schwerer und die Verlockung einfach etwas langsamer zu werden riesengroß. Immer wieder wurde ich jedoch von Pacer Christian angetrieben. So kämpften wir drei Verbliebenen in der Gruppe uns in Richtung Ziel. Um die Kurve ging es in Richtung Musikschule. Hier traf ich auf meine Frau die mir entgegen klatschte, ich rufte ihr glücklich zu „Ich werde es schaffen.“ In Höhe Aasee wurde es dann nochmal richtig laut. Die sogenannte „Cheering Zone“ unserer Running Crew Münster brannte für alle Läuferinnen und Läufern ein Feuerwerk ab. Mit Anfeuerung übers Megafon durch Coach David wurde ich mit einer Konfetti Kanone und Musik begrüßt. Angeschrien durch meine Trainingskollegen „Jan, dich überholt jetzt keiner mehr. Ich will dich lächelnd im Ziel sehen.“ Begleitet durch unsere Flagge und mit einer enormen Gänsehaut verging der Schmerz nochmal für einige Hundert Meter.

Auf der Aegidistraße hörte ich bereits die Ansagen aus dem Zielbereich. Die letzten Meter, das Ziel fest im Blick. Der rote Teppich, scheinbar grenzenloser Jubel. Meine Mitstreiter um mich herum hastete ich über die Ziellinie. 2:58:26 (!!!) Wir drei Letztverbliebenen kamen quasi zeitgleich ins Ziel und fielen uns in die Arme, in solchen Momenten werden aus Fremden Freunde. Pacer Christian beglückwünschte und herzte uns. Noch lange nach dem Finish trafen wir uns immer mal wieder im Zielbereich und grinsten uns an. Wohlwissentlich über das Geleistete.

Im Ziel traf ich auch auf meinen Sohn Anton der seinen ersten Kids Marathon absolviert hatte und mit seiner Gruppe knapp eine Minute vor mir ins Ziel kam. Mit stolzen Augen sprang mir dann dieser kleine Junge in die Arme und wir drückten und herzten uns.

Ich kann mich an dieser Stelle nur nochmal bei allen Beteiligten bedanken und jedem/jeder Laufinteressierten nur empfehlen sowas mal zu machen. Einfach unvergesslich und der absolute Traum. Münster Marathon, vielen Dank, bis nächstes Jahr!!

Quelle / Foto/ Autor / Jan Schlarmann