Am 1. Juli startet wieder die Tour de France, bei der die Fahrer in 21 Etappen insgesamt rund 3.400 Kilometer zurücklegen. So viel schafft Prof. Dr. Hans-Arno Jantzen von der FH Münster zwar nicht, sportlich ist aber auch er unterwegs: Mehrmals pro Woche fährt der Hochschullehrer vom Fachbereich Maschinenbau mit seinem Rennrad von Münster zum Steinfurter Campus und wieder zurück – insgesamt sind das circa 75 Kilometer. Manchmal begleiten ihn Mitarbeiter aus seinem Labor für Strömungstechnik und -simulation, darunter Dr. Sven Annas, Jonas Herfurtner und Lukas Weber. Bei einer dieser Touren fragte sich Jantzen: Muss derjenige, der ganz vorne fährt, mehr arbeiten, wenn jemand direkt dahinter ist?

Kugelversuche im Windkanal

Gemeinsam mit Annas und Eugen Schmunk geht Jantzen dieser Sache jetzt auf den Grund. „Wir haben im ersten Schritt einen Kugelversuch in unserem Windkanal durchgeführt“, sagt Jantzen. „Dabei haben wir zwei Kugeln – eine größere und eine etwas kleinere – dem Wind ausgesetzt und die Kraft gemessen. Zu unserem Erstaunen war die Kraft auf die vordere Kugel geringer als ohne Verfolger.“ Der Hochschullehrer nimmt an, dass beide zusammen wie ein Körper wirken. Übertragen auf die Rennradsituation der Wissenschaftler heißt das: Der Vordermann leistet zwar mehr als derjenige, der im Windschatten fährt, aber weniger im Vergleich zur Fahrt alleine. Aber ist das tatsächlich so? Das will das Team in den nächsten Wochen herausfinden. „In unserer Hochschulbibliothek haben wir uns einen 3D-Scanner ausgeliehen, durch den wir Sven und Professor Jantzen auf ihren Rennrädern dreidimensional vermessen konnten“, erklärt Schmunk. Innerhalb von zehn Minuten war das erledigt. Anschließend bereitete er die Daten auf und startete den 3D-Drucker. 18 Stunden später gab es Jantzen und Annas als Kunststofffiguren. „Jetzt haben wir beide im Windkanal montiert, stabilisiert und eine Kraftmessdose angeschlossen.“

Das Problem dabei: Wären die Modelle nur halb so groß wie die Originale, müsste man sie doppelt so schnell mit dem Wind anblasen. „Hier reden wir aber von einem Verhältnis von eins zu acht. Das bedeutet, der Wind müsste eine Geschwindigkeit von 240 Stundenkilometer haben, um den Versuch präzise auf die Realität übertragen zu können“, sagt Annas. „Das kann unser Windkanal nicht leisten, hier bleiben wir auf 180 Stundenkilometer beschränkt.“

Praxisnahes Lernen

Das Phänomen des Windschattens wollen sie in jedem Fall weiterhin untersuchen. „Wir möchten zum Beispiel herausfinden, wie dicht oder weit weg
die hinteren Sportlerinnen und Sportler fahren dürfen, damit die Person an erster Stelle noch Vorteile daraus zieht“, erklärt Annas. Probeweise hat das Team jetzt erste Messungen durchgeführt und feilt an Details zum Versuchsaufbau. „Aus wissenschaftlicher Sicht machen wir hier zwar nichts
wirklich Neues. Aber die Studierenden lernen die Umströmung von Körpern überaus praxisnah“, sagt Jantzen. In seinen Vorlesungen legt der Experte für Strömungstechnik, -maschinen und numerische Strömungssimulation unter anderem großen Wert darauf, zu vermitteln, wie gut die Strömung an
Körperoberflächen haften bleibt. „Und genau das ist in unseren Versuchen sichtbar“, so Jantzen.

Quelle Text + Bild: FH Münster