Als 10.000 Meter-Debütantin ging Lea Brückner in die deutschen Langstreckenmeisterschaften. Mit Platz acht in starken 35:22,27 Minuten übertraf sie alle Erwartungen.

Die Gleichförmigkeit von 25 Bahn-Runden sind eine harte Prüfung: Die visuelle Varianz von Straßenrennen fehlt und der Kopf wird mit einer Art Endlosschleife konfrontiert. Gepaart mit dem wachsenden Belastungsempfinden bis hin zur vollkommenen körperlichen Erschöpfung, fordern die 10.000 Meter als längste Bahn-Distanz die Athletinnen und Athleten enorm. Jeds Rennen hat seine „Drop-Out-Rate“ – mal streikt der Geist, mal der Körper. Immer wieder gibt es aber auch Rennverläufe, die einzelne Athlet:innen im besten Sinne des Wortes zu einem Rausch führen. Lea Brückner erlebte am Samstag den Rausch.

Voller Vorfreude trotz großer Namen
Erwarten konnte man das nicht, immerhin debütierte Lea in Wassenberg (Kreis Heinsberg) über die 10.000 Meter und ihr Debüt fiel zusammen mit den deutschen Langstreckenmeisterschaften. Im 19-köpfigen Felder der Frauen und der weiblichen U23 rangierte sie mit ihrer 10 Kilometer-Straßen-Qualifikationszeit (36:09 Minuten) auf den hintersten Melderängen; man hätte es der 24-Jährigen nicht verübeln können, wäre sie im Angesicht der EM- und möglicherweise sogar Olympia-Kandidatinnen um Eva Dieterich (LAV Stadtwerke Tübingen) und Miriam Dattke (LG Telis Finanz Regensburg) in Ehrfurcht erstarrt. Indes entschied sich Lea Brückner zu einem mentalen Gegenentwurf: „Ich war seit Montag voller Vorfreude auf das Rennen. In meinem Kopf war es eine Art von Belohnung, mit den besten Bahnläuferinnen Deutschlands an der Startlinie zu stehen und ich wusste, dass ich nichts verlieren kann – jeder Platz, den ich im Vergleich zur Meldeliste gutmachen würde, wäre für mich ein Gewinn.“

Selbstvertrauen hatte Lea in der letzten rennspezifischen Vorbereitungseinheit getankt: 10 x 1000 Meter auf der Bahn – ein echtes Brett, das sie nie zuvor in ihrer Laufkarriere absolviert hatte. Lea Brückner kam zwar mit bemerkenswerten Straßen-Meriten zur LG Brillux Münster, die Kunststoff-Ovale in Halle und Stadion erobert sie demgegenüber erst seit dem zurückliegenden Winter. Dass sie rasche Fortschritte erzielt, hatte die von Jörg Riethues gecoachte Athletin unterm Hallendach demonstriert, als sie die 3000 Meter in ausgezeichneten 9:53,83 Minuten zurücklegte. In Wassenberg gelang ihr jetzt der nächste Schritt hin zur Bahn-Läuferin von nationalem Top-Format.

Negativer Split mit rauschhaften Schluss-Kilometern
Bei regnerischen Bedingungen ging Lea als Teil der hinteren Gruppe ins Rennen. 86er Runden mit einer Endzeit von knapp unter 36 Minuten waren hier als Marschroute ausgegeben worden und Lea schwamm mit. „Es fühlte sich super locker an und das war ein sehr gutes Gefühl. Die Gruppe vor uns war zunächst weit weg, außerdem wollte ich mir nach den zuletzt sehr harten 10 Kilometer-Straßenrennen dieses Mal möglichst lange einen Handlungsspielraum erhalten – das Rennen nicht einfach nur überleben, sondern auf dem letzten Drittel aktiv gestalten“, beschreibt Lea ihre kluge Taktik. Nach flotten, aber komfortablen 17:44 Minuten passierte ihre Gruppe die Rennhälfte und als dann zwei Läuferinnen aus einer der vorderen Gruppen herausfielen, war das für Lea das Signal, in die Offensive zu gehen: „Lea hat nach sechs Kilometern ihre Gruppe gesprengt und ist von Runde zu Runde schneller geworden – die letzte Runde lief sie in 78 Sekunden, das sah sehr gut aus!“, beobachtete Coach Jörg Riethues eine entfesselte Lea Brückner, die einen negativen Split auf die Bahn zauberte und die letzten Kilometer in der Tat als Rausch erlebte: „Runde für Runde verflog und ich habe mich stets auf die jeweils nächste Runde gefreut. Zwar lief ich die letzten Kilometer alleine, dafür aber voller Euphorie. Meine Hoffnung bestätigte sich, dass ich mich in einen Rausch laufen kann.“

In starken 35:22,27 Minuten überquerte Lea auf Platz zwölf des Feldes die Ziellinie. Bereinigt um die vor ihr platzierten U23-Läuferinnen belegte sie damit Platz acht in der Frauenwertung – das Top 10-Ergebnis war damit perfekt. „Ich bin mit der Zeit und dem Rennverlauf super zufrieden. Ich habe jetzt wieder Lust auf die Langstrecke bekommen“, war Lea Brückner rundum zufrieden. Für die kommenden Monate plant sie mit 5000 Meter-Rennen. Von einer klaren neuen persönlichen Bestzeit ist auszugehen: Leas bisherige PB steht bei 17:43,50 Minuten, gelaufen unterm Hallendach im Birmingham/Alabama (USA) während zweier Auslandssemester im Rahmen ihres Studiums der Humanmedizin. Inoffiziell hat Lea Brückner diese Zeit mit der zweiten Rennhälfte von Wassenberg bereits unterboten. Die Aussichten für den Sommer, sie sind glänzend.

Text/Foto: Frederik Töpel

P.S. Anmerkung der Redaktion: Lea Brückner wird ebenso von David Schönherr / Running Crew supported.