Jakob Bruns ist im Aktiven-Bereich der LG Brillux Münster wohl der Rising Star der zwei letzten Jahre. Der 21-Jährige hat sich auf seiner Paradestrecke, den 200 Metern, um satte acht Zehntelsekunden gesteigert. In der zurückliegenden Hallensaison stieß der von Lars Goldbeck trainierte Athlet mit Platz fünf bei den Deutschen Meisterschaften und einer hochwertigen Indoor-PB (21,39 Sekunden) in die erweiterte nationale Spitze vor, jetzt hat er eine große Schallmauer im Blick.

Passion gefunden

Wenn Jakob Bruns von den 200 Metern erzählt, dann merkt man sofort: Hier hat einer seine Passion gefunden. „Ich fühle mich so, als ob ich mich erholen könnte – das klingt komisch, aber so ist es. Ich kann den Kopf ausschalten und muss an nichts anderes denken, außer daran, geradeaus zu laufen, die Kurve zu laufen etc. Vielleicht kann ich es ein Stück Freiheit nennen.“ Jakob hat sich diese Errungenschaft, die weit über den Wettkampfsport hinausreicht, seit den Jugend-Klassen Schritt für Schritt erarbeitet. Der entscheidende Prozess vollzog sich dabei nicht auf der Ebene messbarer Trainingsparameter, sondern in der Persönlichkeitsentwicklung. Was Jakob selbst als „Klicken eines Schalters im Kopf“ erinnert, beschreibt sein Trainer Lars Goldbeck so: „Im Übergang von der U20 in die U23 haben Jakob und ich intensive Perspektivgespräche geführt. Es ging um die Frage, ob er sich ganz auf den Sport einlassen möchte, denn ich war mir als Trainer sicher, dass dann viel möglich sein würde. Jakob gab sein Commitment und ist seitdem ein unglaublich fokussierter Athlet, der im Training kaum eine Ablenkung zulässt.“
Die Geschichte von Jakob Bruns steht damit auch für den wegweisenden Übergang von der Jugend in den Aktiven-Bereich. Vielversprechende Nachwuchs-Athletinnen und -Athleten werden zu diesem Zeitpunkt unweigerlich mit der Frage konfrontiert, wie sehr sie sich im Kräftemessen mit den etablierten Branchen-Größen der Leichtathletik verschreiben möchten. Für die einen wird der Sport ein Hobby, das man mit wechselndem Eifer betreibt und an den sonstigen Lebensbereichen ausrichtet – die anderen gehen „all in“ und versuchen, die Grenzen immer weiter nach oben zu verschieben, richten den Fokus zwölf Monate pro Jahr auf den Sport. Jakob Bruns wählte den harten, aber persönlich befriedigenden Weg: Er wirft seitdem alles in die Waagschale und hat die Leichtathletik mehr denn je zum Fixpunkt seines Lebens gemacht.

Die Jugend-Jahre: Breite Grundausbildung, erste Staffel-Medaillen

Jakobs Weg begann 2012, im Alter von elf Jahren, als er sich der TG Münster anschloss. Unter Anleitung der langjährigen TG-Trainer*innen Dennis Dreiskämper, Sina Heemsoth, Niklas Stein und Andreas Wolff durchlief er hier zunächst die klassische, breit angelegte Grundausbildung: „Abgesehen von den längeren Läufen habe ich jede Disziplin gemacht. Es hat sich aber relativ bald herauskristallisiert, dass meine Stärken im Sprintbereich sowie im Weitsprung liegen“, fasst er die Anfangsjahre zusammen. Die ersten größeren Events erlebte er in der U16 mit Starts bei der JDM (300 Meter) und beim Ländervergleichskampf mit den Niederlanden (Dreisprung). Die damaligen Brillux-Stars um Kai Sparenberg, Luka Herden und Markus Greufe beobachtete er beim Training am Horstmarer Landweg fast schon ehrfürchtig: „Man dachte sich: Das ist die Spitze in Münster.“
Im zweiten U18-Jahr wurde Jakob dann selbst Teil der „Trainingsgruppe Lars Goldbeck“ und zeigte schnell seine Qualitäten: Jakob war Teil der 4×100 Meter-Staffel, die 2018 in Rostock JDM-Bronze holte, und beendete die U18 als Nummer 15 der deutschen 200 Meter-Bestenliste (22,10 Sekunden). Es folgten mühsame U20-Jahre, die keinen zeitlich messbaren Fortschritt brachten, zumal das für alle Nachwuchs-Athlet*innen so wichtige zweite U20-Jahr von der aufbrandenden Corona-Pandemie überschattet wurde. Die Rahmenbedingungen der wegweisenden Perspektivgespräche des Herbstes 2020 waren mit anderen Worten nicht die einfachsten und doch ging von ihnen die entscheidende Initialzündung aus.

Ideale physiologische Voraussetzungen, Schlüssel Persönlichkeitsentwicklung

Dass Lars Goldbeck jede andere Entwicklung als Vergeudung großen Talents erlebt hätte, verdeutlicht seine Einschätzung über Jakobs Anlagen als 200 Meter-Sprinter: „Jakob bringt ausgezeichnete physiologische Voraussetzungen mit. Er zeichnet sich durch eine enorme Stiffness seines Sehnenapparats aus, sodass sein Energie- und Geschwindigkeitsverlust im freien Lauf gen Null gehen.“ Die wissenschaftsbasierte Herangehensweise ist ein wichtiger Bestandteil im Trainingskonzept des einstigen Zehnkämpfers Goldbeck, der insbesondere bei der Trainingsmethodik nichts dem Zufall überlässt: Regelmäßig wertet er die internationalen Fachzeitschriften aus, um mit dem „State of the Art“ der Sportwissenschaft Schritt zu halten. Indes ist er weit davon entfernt, seinen Athletinnen und Athleten sportwissenschaftliche Generallösungen überzustülpen: „Aus meiner Sicht basiert gutes Training darauf, so personenzentriert wie möglich zu arbeiten. Das erfordert von mir als Trainer, den einzelnen Athleten mit seinen Ressourcen und seinen Bedürfnissen zu verstehen. Es erfordert aber ebenso Athleten, die sich selbst möglichst gut kennen und als mündige Persönlichkeiten aktiv an der Trainingsgestaltung beteiligt sind.“
Seinem Schützling Jakob Bruns bescheinigt Goldbeck, er habe sich in seiner bisherigen U23-Zeit als Persönlichkeit stark weiterentwickelt. Jakob bringt jetzt das Mindset mit, um optimal von der Philosophie seines Trainers zu profitieren und selbst Akzente bei der Feinsteuerung zu setzen. Teil dieser Konstellation ist die klare Ansprache von Stärken und Schwächen als Voraussetzung für Fortschritt und maßgeschneiderte Trainingsmethoden: „Lars und ich haben definiert, woran mehr und woran weniger gearbeitet werden muss und individuelle Wege für die Umsetzung gefunden. Neuromuskulär bin ich jetzt so gut eingestellt, dass ich das Training annährend optimal umsetzen kann“, erklärt Jakob Bruns seine enorme Leistungssteigerung in den ersten beiden U23-Jahren, in denen er seine 200 Meter-Freiluft-Bestzeit von 22,13 auf 21,29 Sekunden steigerte.

Erfolgsfaktor Trainingsgruppe, stabiles Fundament bei der LG Brillux

Indes sind die Leistungssprünge keine Two-Men-Show, sondern vollziehen sich eingebettet in ein starke Trainingsgruppe, die für Jakob eine große Bedeutung hat: „Ich sehe meine Trainingsgruppe an sechs Tagen pro Wochen. Viele Trainingskameraden sind gute Freunde, beste Freunde. Wir spornen uns gegenseitig bei den Einheiten an, necken uns auch mal. Wir teilen die Leidenschaft für den Sport und freuen uns über die Erfolge des anderen – meine Trainingsgruppe ist toll.“ Auch Lars Goldbeck beobachtet, wie Jakob als Teil der Gruppe gewachsen ist: „Jakob war und ist nie jemand, der sich in den Vordergrund drängt. Er profitiert von dem empathischen Umfeld, in dem jeder Athlet davon ausgeht, dass der andere in seinem jetzigen Kontext immer das Beste gibt. So konnte sich Jakob sukzessive ein starkes Standing in der Trainingsgruppe erarbeiten. Alle sehen sein großes Potenzial und pushen ihn, ohne ihn als Konkurrenten zu sehen.“
Im Trainingsalltag sind unter anderem Luka Herden und Markus Greufe stetige Begleiter, mit ihnen stürmte Jakob bei der Freiluft-DM 2022 zu Staffel-Bronze in herausragenden 39,85 Sekunden. Aber auch zu den Athleten von Langsprint-Trainer Jan Vogt pflegt man ein freundschaftliches Verhältnis, als große Gemeinschaft ging es zuletzt ins zweiwöchige Oster-Trainingslager an die portugiesische Algarve. Ein stabiles Fundament für die weitere Entwicklung findet Jakob Bruns bei der LG Brillux vor, die ihn seit diesem Frühjahr mit einem Individualvertrag unterstützt. „Das Gesamtpaket aus Trainern, Physiotherapie, Trainingsgeräten und individueller Förderung passt,“ ist Jakob zufrieden mit dem Standort.

Hallensaison 2023: Erstes DM-Einzel-Finale mit mentaler Meisterleistung

Niemand zweifelt daran, dass der 21-Jährige, der als angehender Physiotherapeut die duale Karriere in Spitzensport und Beruf entwickelt, in der Freiluftsaison 2023 zu einem weiteren Schub nach vorne fähig ist. Angedeutet hat er das in der Hallensaison, die in verschiedener Hinsicht wiederum eine prägende Zeit für Jakob war: Da ist einerseits das Pfund der Indoor-PB (21,39 Sekunden), die im direkten Jahresvergleich 2022–2023 eine Verbesserung um vier Zehntelsekunden bedeutete und eine Art Versprechen für den Sommer war. Und da ist der Aufstieg zu einem Final-Teilnehmer bei Deutschen Aktiven-Meisterschaften, der sich auch im Moment der Enttäuschung als mentaler Musterathlet zeigte. Die Hallen-DM in der Dortmunder Helmut-Körnig-Halle wurde für Jakob zu einer harten Prüfung, als er im Vorlauf nach exzellenten 150 Metern eine Bodenwelle unglücklich erwischte und um alle Chancen auf eine aussichtsreiche Final-Bahn gebracht wurde – die berechtigten Medaillenhoffnungen waren in diesem Moment dahin, die mentale Reaktion umso bemerkenswerter: Jakob verlor sich nicht in Lamenti, sondern übte sich in Selbstkritik mit anschließender Neufokussierung. „Ich hatte es schlicht nicht hinbekommen, die zweite Bodenwelle ordentlich zu nehmen, das hat mich extrem aufgeregt. Ich habe mich dann aber neu auf das Finale eingestellt und versucht, mich auf die Vorteile von Bahn zwei zu konzentrieren“, gibt er einen Einblick in seine Gedanken. Am Ende des Meisterschafts-Wochenendes stand mit Platz fünf der bisher größte Individual-Erfolg seiner Karriere zu Buche.
Lars Goldbeck erklärt Jakobs emotionale Reife so: „In unserer Trainingsgruppe suchen wir die Schuld nicht bei den anderen oder den Umständen. Wir sind selbst für unsere Performance verantwortlich. Zugleich ordnen wir Leistungen in einen größeren Prozess ein, was in Jakobs Fall bedeutet: 21,53 Sekunden und Platz fünf bei der Hallen-DM waren eine tolle Leistung und das gilt es mitzunehmen.“

Freiluftsaison 2023: Nationale und internationale Ziele

Im Sommer warten auf Jakob Bruns in seinem letzten U23-Jahr verlockende Ziele. Auf nationaler Ebene möchte er bei der U23-DM in Göttingen (01./02. Juli) als einer der Favoriten an den Start gehen, bei der Aktiven-DM in Kassel eine Woche darauf würde er gerne an den Erfolg von Dortmund anknüpfen: „Der Name Bruns steht seitdem für DM-Finalteilnahmen und es wäre schön, wenn beim Aufrufen der Startaufstellung in Kassel wieder der Name fällt.“ Gleichzeitig richtet sich der Blick über Deutschland hinaus, Jakob Bruns liebäugelt mit den U23-Europameisterschaften in Espoo (Finnland). Dafür müsste er eine große Schallmauer brechen, denn der DLV verlangt für eine EM-Qualifikation 20,90 Sekunden. Trainer Lars Goldbeck traut seinem Schützling die Steigerung zu: „Jakob ist jetzt in einer ganz neuen Sphäre unterwegs. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er in den 20 Sekunden-Klub vorstößt.“
Quelle Text + Bild: Leichtathletik-Gemeinschaft Brillux Münster e.V.