Als Kerstin Schulze-Kalthoff beim Coesfelder Citylauf die Ziellinie als Siegerin überquerte, sprang die elektronische Uhr von 16:54 auf 16:55 Minuten um. Es folgten bange Minuten des Wartens, ehe die offizielle Bestätigung folgte: 16:54 Minuten – Westfalenrekord! Die 23-Jährige hatte Maßarbeit geleistet und war eine Sekunde unter der bisherigen Bestmarke geblieben.
Aber der Reihe nach. Der Coesfelder Citylauf ist ein fester Bestandteil im Wettkampfplan der Hindernis- und Mittelstreckenspezialistin der LG Brillux Münster. Die gebürtige Rosendahlerin ist in Coesfeld zur Schule gegangen, sie kennt die Stadt wie ihre Westentasche – und die Coesfelder*innen kennen Kerstin. Entsprechend groß ist alljährlich die Unterstützung am Streckenrand, auch Kerstins Familie feuert traditionell kräftig an. In diesem Jahr stand der Start indes kurzzeitig auf der Kippe, muskuläre Probleme plagten die von Robert Welp und Jan Vogt trainierte Top-Athletin. Doch der Lockruf der Heimat erwies sich als unwiderstehlich und so stand Kerstin am frühen Samstagnachmittag auf dem Coesfelder Markplatz und schielte vorsichtig in Richtung eines neuen Streckenrekords, womit sie automatisch in die Nähe des Westfalenrekords rücken würde – ersteren hatte Kerstin selbst im Vorjahr aufgestellt (17:01 Minuten), letzteren die Dortmunderin Verena Meisl in diesem Frühjahr (16:55 Minuten).
Bange Minuten des Wartens im Ziel
Starker Wind und ein anspruchsvoller 2,5km-Rundkurs mit einigen Kopfsteinpflasterpassagen animierte ein Quartett mit ähnlicher Zielzeit noch an der Starlinie zur Absprache, „gemeinsame Sache“ zu machen. De facto war Kerstin vom ersten Meter an die Frontläuferin ihrer Gruppe, lediglich auf Kilometer zwei boten männliche Läufer der zierlichen Athletin Windschatten. Kerstin ließ sich davon nicht beeindrucken und unternahm bereits vor Halbzeit die Flucht nach vorne, nunmehr alleine im Kampf mit dem Wind und dem Untergrund. „Ich bin nach der ersten Runde in 8:29 Minuten durchgegangen und habe konstant einen Abstand von 40 Metern auf den Verfolger des Führungstrios gehalten“, schildert sie die Mittelphase des Rennens. Das Ziel allmählich vor Augen, mobilisierte Kerstin im Endspurt alle Kräfte, getragen vom Jubel der Zuschauer*innen.
Und doch gab es für die ungefährdete Frauen-Siegerin diese zwei, drei bangen Minuten, in denen die offizielle Zeitauswertung mit einem Wimpernschlag für oder gegen den neuen Westfalenrekord entscheiden würde. Die Dynamik ihrer Gefühle im Ziel beschreibt Kerstin selbst so: „Ich habe mich erst nicht getraut richtig zu jubeln, weil ich wusste, dass es sehr sehr knapp wird. Nach wenigen Minuten kam dann die offizielle Bestätigung: Westfalenrekord – und es gab kein Halten mehr.“ Ausgelassen feierte Kerstin gemeinsam mit „ihrem“ Publikum die historische Leistung.
Rückenwind für Training und Staatsexamens-Vorbereitung
Für Kerstin Schulze-Kalthoff ist es die bestmögliche Bestätigung, ihre Gala-Form der ausklingenden Bahnsaison nach einer kurzen Verschnaufpause auch in den Herbstblock mitgenommen zu haben. Das verschafft viel Rückenwind beim Blick auf die unwirtlichen Monate, die Kerstin neben dem Training bei nasskalter Witterung auch geistige Höchstleistungen abverlangen werden: Die Jura-Studentin der WWU Münster befindet sich in Vorbereitung auf ihr erstes Staatsexamen.
Jens Kassebeer siegt mit starker 5 km-Bestzeit
Neben Kerstin Schulze-Kalthoff waren in Coesfeld vier weitere Mittelstreckler*innen der LG Brillux Münster am Start. Jens Kassebeer, einer der Aufsteiger der Sommersaison, gestaltete das Rennen taktisch clever: Als Teil einer dreiköpfigen Spitzengruppe widerstand er der Versuchung, vom ersten Meter an aufs Tempo zu drücken und konnte so zumindest phasenweise auf die Unterstützung von Youssef Wardi (LAZ Rhede) und Alexander Schill (LSF Münster) zählen. Nach soliden 7:57 Minuten für Runde eins wurde es auf der zweiten Hälfte deutlich schneller. Letztlich spielte Jens seine Mittelstrecken-Qualitäten aus und lief in starken 15:31 Minuten sieben Sekunden vor dem zweitplatzierten Wardi als Sieger auf dem Coesfelder Marktplatz ein – für den Schützling von Jörg Riethues war es eine satte neue Bestzeit.
Riethues, der sich mit einem Teil der Trainingsgruppe im Trainingslager auf Texel befindet, war voll des Lobes: „Jens hat seine Straßenbestzeit aus dem letzten Jahr um 38 Sekunden verbessert. Das zeigt seinen weiterhin sehr starken Trend.“
Im selben Rennen belegte Leonie Kruse in 18:26 Minuten Platz eins in der weiblichen U20. Philipp Mensing wurde Gesamt-Zwölfter in 17:10 Minuten, Carla weise finishte in 19:58 Minuten.
Text / Foto / Quelle: LG Brillux