Alle Erwartungen übertrafen die zwölf Athletinnen und Athleten der LG Brillux Münster bei der U20-/U18-DM in Rostock: Gold und Silber für Silas Zahlten, Gold für Leonard Horstmann (100 Meter), dazu fünf Top Acht-Platzierungen gehen in die Saison-Bilanz ein.
Die drei Tage in Rostock schrieben viele Geschichten – große Karriere-Meilensteine wurden erzielt, ein verblüffender Titel sorgte für Staunen; der eine sprang auf den Zug nach Jerusalem, dem anderen wurde der Zutritt verwehrt; für einen Großteil der Athletinnen und Athleten endeten die Jugend-Jahre zumindest auf der nationalen Ebene. Am Ende strahlte das Team im Regen von Rostock, auch dank tollen Zusammenhalts.

Leonard Horstmann schreibt Sprint-Märchen

Die vermutlich erstaunlichste Geschichte des Wochenendes schrieb Leonard Horstmann, der eine Art Sprint-Märchen auf die Bahn der Leichtathletik-Arena zauberte. Angereist als Siebter der Meldeliste, seigerte sich der „hauptberufliche Weitspringer“ Leonard Horstmann im Kräftemessen mit den Vollblutsprintern wie in einem Rausch; drei Rennen innerhalb von weniger als drei Stunden absolvierte Leonard am Samstagabend, konstant und dominant, als hätte er nie etwas anderes getan. Als er sich um 20:23 Uhr auf dem nassen Tartanbelag eine kleine Sprintwelt von acht Hundertstelsekunden vor dem Rest des Feldes als neuer deutscher U20-Meister ins Ziel warf, war das Märchen perfekt. „Vor der DM hatte ich mit einem Finalstart geliebäugelt und ging davon aus, bei einer Realisierung von den Spezialisten abgezogen zu werden. Wie der Titel passiert ist, weiß ich selbst noch nicht so richtig“, war Leonard auch am Tag nach dem großen Triumph noch überwältigt.

„Mit Lockerheit und Freude auf die widrigen Bedingungen eingestellt“

Dabei gibt es eine Menge guter Gründe für die überragende Performance des 19-Jährigen, der sich auf der klassischen Sprintstrecke in diesem Jahr um unglaubliche 85 Hundertstelsekunden verbessert hat. Die konzentrierte Vorbereitung in den Wochen und Monaten unter der Ägide von Lars Goldbeck in Gemeinschaft einer leistungsstarken Trainingsgruppe zählen ebenso dazu wie die mentale Meisterleistung in Rostock. Während die Vollblutsprinter mit dem regnerischen, kühlen Wetter haderten, akzeptierte Leonard die Gegebenheiten ohne Wenn und Aber. „Leonard hat sich mit einer Lockerheit und einer Freude auf die widrigen Bedingungen eingestellt, die ich so bei seinen Konkurrenten nicht beobachten konnte. Als einzigem ist es ihm gelungen, seine beste Performance abzurufen, im Zwischenlauf hat er sogar seine Bestzeit gesteigert“, zollte Jan Vogt dem jungen Mann großen Respekt.
In Abwesenheit von Lars Goldbeck, der im Livestream alle Läuft verfolgte und telefonisch letzte Tipps fürs Finale gab, beobachtete Jan Vogt ebenso wie der Rest des LG-Teams begeistert, wie sich Leonard im Finale auf den letzten 20 Metern kraftvoll und entschlossen am Favoriten Heiko Gussmann (Vorleistung 10,34 Sekunden) vorbeischob und letztlich ebenso dominant wie bei seinem Zwischenlaufsieg (10,67 Sekunden) in 10,72 Sekunden den Titel holte. „Auf dieser besonderen Strecke deutscher Meister zu werden, bedeutet mir sehr viel“, erlebte Leonard den großen Karriere-Meilenstein als außergewöhnlichen Moment. Anteil am Titel hatte auch LG-Physiotherapeutin Sabine Zumdick, die sich zwischen den Rennen um die arg beanspruchte Muskulatur des Modellathleten kümmerte.

Final-Platz im Weitsprung

Im Weitsprung zog der an 13 gemeldete Athlet mit einem Satz auf 6,75 Meter ins Finale der besten Acht ein. Gerne hätte er sich hier noch verbessert, schwere Beine und die rutschige Anlaufbahn machten ihm einen Strich durch die Rechnung. „Zwar hatte ich mir weitenmäßig mehr erhofft, aber Platz acht geht in Ordnung“, so Leonard, der der Hypothek von nur drei Stunden Schlaf in der Nacht zwischen den Wettkämpfen wenig Beachtung schenkte.

Silas Zahlten holt wie vor zwei Jahren Gold und Silber

Die Geschichte Silas Zahlten war die lupenreine Kopie seines Triumphes vor zwei Jahren an gleicher Stelle: Wie bereits bei den deutschen U18-Meisterschaften 2021 gelang Silas das Kunststück, Gold über die 2000 Meter Hindernis und Silber über die 3000 Meter zu gewinnen. Hoch professionell präsentierte sich das Aushängeschild der LG Brillux zwischen den Rennen: Dem erwarteten Titelgewinn über die Hindernisse folgten keine Jubelstürme, der 18-Jährige verblieb im Konzentrations-Tunnel, spulte diszipliniert sein Nachbereitungs-Programm ab, ließ geduldig die Doping-Kontrolle über sich ergehen und baute nach einer soliden Nacht neue Spannung auf. Umso gelöster zeigte sich Silas nach der hochwertigen 3000 Meter-Silber-Medaille, die Anspannung fiel mit Überquerung der Ziellinie vom jungen Mann ab. „Das Wochenende verlief von vorne bis hinten sehr professionell. Ein Schlüssel für die zweite Medaille war die gute Nachbereitung und die auch dank Sabine sehr gute Regeneration“, analysierte Silas sein doppeltes Edelmetall.

2000 Meter Hindernis: Silas Zahlten ohne jede Schwäche

Dabei ist es alles andere als eine Selbstverständlichkeit, im zweiten U20-Jahr die physische und mentale Disposition für den Kraftakt zweier Mittelstrecken-Finals binnen 24 Stunden aufzubringen. Über die 2000 die Hindernisse ließ Silas mit einem dominanten Auftritt keinen Zweifel an seiner Ausnahmestellung auf nationaler Ebene. Nach einem verhaltenen ersten Kilometer (3:04 Minuten) übernahm er 600 Meter vor dem Ziel die Kontrolle und zog das bis dahin kompakte Feld mit einer Art Steigerungslauf rasch auseinander. Lange Zeit blieb ihm Jonas Patri (TSV Bayer Leverkusen) auf den Fersen, mit überlegener Hindernistechnik und großer Selbstsicherheit löste sich Zahlten nach dem letzten Wassergraben entscheidend und überquerte in schnellen 5:50,13 Minuten die Ziellinie. „Unser Plan ist aufgegangen. Silas hat ein souveränes Rennen bestritten und konnte noch Körner sparen“, war Trainer Jörg Riethues anders als sein Schützling bereits nach dem Hindernisrennen entspannt.

3000 Meter: Pfeilschneller Schlusskilometer, Jerusalem vor Augen

Im 25-köpfigen 3000 Meter-Feld war die Rollenverteilung ähnlich klar: Bestimmt wurde das Rennen vom Top-Favoriten Benne Christian Anderson (TSV St. Peter Ording), der die U20-EM Norm Anfang Mai zwar bereits deutlich unterboten hatte, jedoch nicht auf deutschem Boden. „Ich wusste, dass Benne Christian Anderson die regelkonforme Norm im Alleingang nachlegen wollte und hatte mich auf ein schnelles Rennen mit einigen quälenden Runden eingestellt“, ging Silas Zahlten mit großer Leidensbereitschaft ins Rennen. Dass die 3000 Meter trotz rasantem Schlusskilometer (2:38 Minuten) und toller Endzeit (8:17,87 Minuten) letztlich weniger quälend als erwartet wurden, spricht für die enorme Klasse und Rennhärte, die sich der Mittelstreckler erarbeitet hat. Obgleich Silas dem imposanten Schlussspurt von Andersons (8:15,14 min) nicht folgen konnte, beeindruckte er seinerseits mit stilistischer Finesse bis auf den Zielstrich, den er als ungefährdeter Zweiter überquerte. „Ich konnte auf dem letzten Kilometer sehr gut mobilisieren und bin jetzt optimistisch für Jerusalem“, richtet Silas den Blick bereits nach vorne. In gut einer Woche geht es ins EM-Vorbereitungstrainingslager.

Bastian Sundermann als Vierter mit gemischten Gefühlen

Begleitet wird Silas Zahlten von Vierteilmeiler Bastian Sundermann, der sich in Rostock für die 4 x 400 Meter-Staffel qualifizierte. Gerne hätte der Schützling von Jan Vogt noch mehr erreicht, nach dem Indoor-DM-Triumph im Februar spekulierte das Duo auch in Rostock auf Edelmetall. Starke 47,87 Sekunden mit Reserven nährten nach dem 400 Meter-Halbfinale die Ambition, erste Ernüchterung folgte mit der Bahnverteilung für das Finale: Bahn acht bedeutet für Langsprinter die Flucht als optisch vom Feld Gejagter und tatsächlich gestaltete sich das Finale als mentale Herausforderung: „Ich habe die ersten 50 Meter nicht optimal gestaltet. Infolge dessen ist Louis früh an mir vorbeigezogen, was nicht besonders ermutigend war“, kommentierte Bastian sein Rennen, in dem er bereits eingangs der Gegengeraden vom späteren Sieger Louis Quarata (VFL Wolfsburg) überflügelt wurde und hart fighten musste. Immerhin gelang Bastian ein starkes letztes Renndrittel, sodass er sich in 48,27 Sekunden noch auf Platz vier vorschob.

„Möchte mein Potenzial in Jerusalem mit einem starken Staffel-Split zeigen“

Jan Vogt analysierte den Auftritt seines Athleten ausgewogen: „Natürlich haben wir vor der DM aufs Treppchen geschielt, aber wir wussten um die Stärke der Konkurrenz. Im Übrigen ist es nicht leicht, wenn man innerhalb eines Jahres vom Jäger zum Gejagten wird. Unterm Strich können wir zufrieden sein, Basti hat den Staffel-Platz für Jerusalem gesichert und im Vergleich zum Halbfinale zwei Plätze gut gemacht.“ Auch Bastian Sundermann selbst sieht sich noch nicht am Ende des Prozesses, den die Entwicklung zum Top-Athleten auch auf der mentalen Ebene einfordert: „Ich habe noch Reserven, bei großen Events vor Publikum zu laufen und in einem starken Feld mit dem Druck umzugehen. Ich weiß aber, dass in mir noch eine Menge Potenzial steckt – das möchte ich in Jerusalem mit einem starken Staffel-Split zeigen.“

200 Meter: Im Regen von Rostock an die Bestzeit heran

Tatsächlich zeigte Bastian bereits in Rostock am Folgetag einen Teil seines herausragenden Potenzials, über das er auch auf den 200 Metern verfügt: Im Dauerregen sprintete er auf der erneut ungünstigen Bahn acht zur zweitschnellsten Zeit seiner Karriere (21,68 Sekunden) – in einem engen Finale reichte das zu Platz sechs, im vierten Rennen binnen 48 Stunden aller Ehren wert.
Bastian Sundermann zeigte sich im Übrigen als großer Teamplayer, als er ungeachtet seiner persönlichen Enttäuschung am Vorabend den Triumph Leonard Horstmanns als erster Gratulant wie einen eigenen Sieg feierte – nur einer von vielen Eindrücken eines tollen Teamgeists, den auch Chefcoach Jörg Riethues hervorhob: „Alle Athletinnen und Athleten haben in Rostock ein hervorragendes Zusammengehörigkeitsgefühl gezeigt. Jeder hat den anderen bei seinem Wettkampf unterstützt und auch abseits des Stadions hat sich das junge Team vorbildlich präsentiert.“

1500 Meter: Pia Schlattman und Leonie Kruse mit vereinten Kräften

Die Mittelstrecklerinnen Pia Schlattmann und Leonie Kruse zogen über die 1500 Meter in unerwartet schnellen Vorläufen gemeinsam ins Finale ein – Leonie mit satter neuer persönlicher Bestzeit (4:38,84 Minuten), Pia unmittelbar vor ihr (4:38,44 Minuten). Beide hatten damit weit mehr als nur die Pflicht erfüllt. Während Leonie Kruse erstmals überhaupt auf einer großen Meisterschaft zwei Rennen auf einer klassischen Mittelstrecke absolvierte, zeigte Pia Schlattmann acht Wochen nach ihrer Stressfraktur ein bemerkenswertes Comeback. Im Finale arbeiteten die beiden LG-Athletinnen zusammen, wechselten sich in der Verfolgergruppe ab und trieben sich auf der Schlussrunde gegenseitig an. „Dass wir hier beide eine Urkunde erkämpft haben, war auch Teamarbeit“, kommentierte die Siebtplatzierte Pia Schlattmann (4:37,73 Minuten), die ebenso wie Leonie Kruse auf Platz acht (4:38,21 Minuten) überaus zufrieden sein konnte.
Das galt auch für die Trainer: Robert Welp attestierte Schützling Pia Schlattmann, bei nur einem vorherigen Saisonrennen das Maximum herausgeholt zu haben. Ein Dankeschön ging auch an Möller-Orthopädie-Schuhtechnik und das ZfS Münster, die Pia Carboneinlagen bzw. die Trainingsmöglichkeit auf dem schwerelosen AlterG-Laufband bereitstellten und die Top 8-Platzierung zum Ergebnis des Zusammenwirkens ganz verschiedener Akteure machen. Jörg Riethues würdigte unterdessen die enorme Steigerung Leonie Kruses auf den Mittelstrecken: „Als 14. der Meldeliste anzureisen, zweimal Bestzeit zu laufen und Achte zu werden – das spricht für sich.“

4 x 100 Meter-Staffel steigert Saison-Bestzeit deutlich

Mit einer deutlichen Steigerung der Saisonbestzeit warteten Liv Patterson, Maja Huesmann, Guely Batantou und Ida Schwering auf: Angereist auf Platz 20 der Meldeliste, gelang dem Quartett ein Staffelrennen mit sicheren Wechseln, in 48,04 Sekunden schoben sie sich in der Summe der Zeitendläufe auf einen guten elften Platz. „Wir sind zum ersten Mal in dieser Konstellation gelaufen und sowohl mit der Zeit als auch mit der Platzierung sehr zufrieden“, zog die Staffel, an deren Seite stets Ersatzläuferin Franziska Lupfer war, ein positives Fazit. Eine besondere Note hatte das Event für das Quartett als letzte deutsche Meisterschaft in den Jugendklassen. „Wir haben gemeinsam in den Jugend-Jahren viel erlebt und es ist besonders schön, als Team die DM als Abschluss unserer U20-Zeit zu erleben“, fasste Startläuferin Liv Patterson das emotionale Erlebnis zusammen.

100 Meter/100 Meter Hürden: Maja Huesmann und Ida Schwering achtbar

Mit Maja Huesmann (100 Meter) und Ida Schwering (100 Meter Hürden) konnten sich zwei Staffel-Athletinnen auch in der Einzelkonkurrenz aus der Jugend verabschieden. Maja haderte mit dem freien Lauf, in 12,26 Sekunden lief sie dennoch in die Nähe ihrer Saisonbestleistung. Idas Rhythmus wurde zur Mitte des Rennens gebrochen, als sie an einer Hürde hängenblieb; 15,38 Sekunden gingen in die Ergebnislisten ein. Trainerin Klaudia Schönfeld würdigte den Kampfgeist ihrer Athletin, die in ihrem dualen Studium bei der Polizei NRW stark gefordert ist und für die DM-Freistellung Überstunden anhäufen musste.

Finnja Freisfeld und Cedrik Runde lernen in der U18

Unter dem Motto „Lernen“ stand für Finnja Freisfeld ebenso wie für Cedrik Runde die erste U18-DM ihrer Karriere. Dreimal wurde die Stabhochsprung-Konkurrenz nach hinten verschoben – keine leichte Aufgabe für die 16-Jährige Finnja Freisfeld. Im zweiten Anlauf übersprang sie die 3,35 Meter, bei den 3,50 Metern war dann trotz eines beherzten dritten Versuchs Endstation. „Finnja hat die Herausforderungen bei ihrer erst zweiten DM sehr gut gemeistert. Konzentration und Kondition wurden heute stark beansprucht, höhenmäßig wäre dennoch deutlich mehr drin gewesen – aber das ist Stabhochsprung“, ordnete Finnjas meisterschaftserfahrene Trainerin Silke Spiegelburg den Wettkampf ein, den ihre Athletin auf Platz 11 beendete.
Cedrik Runde versuchte im 800 Meter-Halbfinale nach Kräften, dem Tempo der Spitze zu folgen, musste aber die Überlegenheit des Führungstrios um die am Folgetag mit Gold und Silber dekorierten Jonathan Toppel (SC Magdeburg) und Gustav Lewandowski (SV Brackwede) anerkennen. Er beendete das Rennen als Fünfter in 2:00,42 Minuten. „Ich nehme viel Motivation von meiner ersten DM mit und werde in den nächsten Jahren weiter an mir arbeiten“, ordnete er ebenso wie Jörg Riethues Rostock als Auftakt einer ambitionierten Karriere ein.

Starke Gesamtbilanz der LG Brillux

Die starke Gesamtbilanz kommentierte Chefcoach Jörg Riethues: „Wir haben mehr erreicht als wir uns vorgenommen hatten. Die Ergebnisse belegen die sehr gute Arbeit aller Trainingsgruppen.“
Quelle Text + Bild: Leichtathletik-Gemeinschaft Brillux Münster e.V.