Niemeyer ist 36 Jahre alt und frisch gebackener Sportdirektor beim SC Preußen 06. Seit knapp zwei Jahren wohnt er im Kreuzviertel in Münster und ist selbstbekennender Kaffeeliebhaber: „Praktisch, denn die Arbeitstage sind gerade lang“, so Niemeyer, der im Tecklenburger Land – genauer gesagt in Hörstel-Riesenbeck – geboren wurde. Als Ex-Profifußballer und ehemaliger Co-Trainer gehört Peter Niemeyer eigentlich zu der Sorte Mensch, die vermeintlich viel redet, ohne was zu sagen. Tatsächlich aber ist das Gegenteil der Fall: Als ich Peter Niemeyer im Stadion an der Hammer Straße traf, hatte er jede Menge zu erzählen. (Ein Auszug aus dem Gespräch.)

Wie fühlt es sich an, Sportchef von einer Mannschaft zu sein, die gerade von der 3. Bundesliga in die Regionalliga West abgestiegen ist und damit eine fette Bruchlandung erlitten hat?
Gut. Ich freue ich auf die neue Herausforderung. Denn schon nach den ersten Gesprächen mit den Verantwortlichen vom SC Preußen fühlte ich mich unglaublich schnell emotional gepackt von diesem Verein. Klar, man glaubte lange daran, in der 3. Liga bleiben zu können. Aber jetzt muss man es nehmen wie es ist und die neue Situation in der Regionalliga West auch als Chance begreifen.

Müssen Sie noch viele Tränen trocknen?
Der Schmerz über den Abstieg sitzt natürlich tief. Aber der erste Schock ist überwunden und wir gucken positiv nach vorn und freuen uns auf die neue Aufgabe.

Foto: Münster aktiv / Peter Niemeyer – neuer Sportdirektor beim SC Preußen 06

Wie sehen Sie die Mannschaft hinsichtlich Teamgeist nach dem Abstieg in die Regionalliga?
Es ist alles gerade im Umbruch. Der Plan ist, eine schlagfertige Truppe aufzubauen, die auf jeden Fall, und soweit lehne ich mich aus dem Fenster, charakterlich zusammenpassen wird. Das ist mir enorm wichtig. Qualität ist wichtig, keine Frage. Aber trotzdem glaube ich daran, dass das Faustpfand einer Mannschaft ihr Charakter ist. Mentalität schlägt Qualität. Ich bin froh mit Sascha Hildmann auch einen Trainer an meiner Seite zu haben, der dieses genauso sieht.

Aktuell stellen Sie eine neue Mannschaft zusammen, was werden Sie außerdem ändern?
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass man zunächst seine Hausaufgaben machen und Strukturen aufbauen muss, um die Grundvoraussetzung für sportlichen Erfolg zu schaffen.

Welche Stellschrauben können Sie benennen?
Die Infrastruktur muss verbessert werden: Wir haben zum Beispiel nur einen Trainingsplatz, das wird auf Dauer zu wenig sein. Wir brauchen auch ein Nachwuchsleistungszentrum. Ebenso könnten die Mannschaftskabinen mehr Wohlfühlklima vertragen.

Haben Sie schon den Oberbürgermeister Markus Lewe getroffen?  Schließlich plant die Stadt Münster ein neues Stadion für geschätzte 80 Millionen. Viel Geld.
Ja, das ist in der Tat viel Geld. Das wissen wir. Wir sind 4. Liga, keine Frage. Und klar darf man fragen: muss das sein, ein Stadion für 80 Millionen? Und ich sage ja. Denn ein neues Stadion mit einer neuen Infrastruktur wird mittel- und langfristig ein wichtiger Faktor für den Erhalt des Vereins sein. Will man Top-Spieler in der Mannschaft haben, muss man denen was bieten. Heutzutage können es sich die meisten Profispieler aussuchen, wo sie spielen. Und da kann ein modernes Stadion bei der Entscheidungsfindung das Zünglein an der Waage sein.

Auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6 – für wie wahrscheinlich halten Sie einen Aufstieg in die 3. Bundesliga bereits in der ersten Saison Regionalliga West?
Das ist nicht skalierbar, meiner Meinung nach. Als Sportchef wäre eine Prognose hier und jetzt auch nicht seriös. Damals als Profi bei SV Darmstadt 98 habe ich viel erlebt: Wir dachten, wir bleiben definitiv nicht in der 1. Liga – und trotzdem hat es geklappt. Von daher muss ich die Frage passen. Was ich aber sagen kann: Wir sind sehr ehrgeizig und wollen das Maximale erreichen.

Welche Ausgleichssportarten zum Fußball treiben die Spieler?
Das überlassen wir den Spielern selbst. Wir sind dafür zuständig, auf der Ebene Fußball zu arbeiten. Ausgleichssport in der Jugend ist wichtig, keine Frage. Im Profibereich sehe ich das anders. Wenn die Jungs sich dann dabei verletzten, dient das der Sache auch nicht.

RW Essen wird ein starker Gegner in der Regionalliga West sein. Wie ist es für Sie, als Underdog in die Saison zu starten?
Das höre ich so zum ersten Mal, dass wir als Underdog in die neue Saison gehen. Interessant, dass Sie das so sehen. Corona bedingt liegen bei den Vereinen zum Saisonstart unterschiedliche Voraussetzungen. RW Essen pausieret bereits seit März und konnte am Kader feilen und mit Spielern sprechen, wir haben als Absteiger bis zum Ende gespielt.

Ole Kittner – Münsteraner und Identifikationsfigur – musste gehen, was spielerisch nachvollziehbar ist. Wie wollen Sie in der Regionalliga die noch wichtigere Identifikation der Fans, Sponsoren und der Stadt mit dem Verein steigern?
Wir müssen wieder nahbarer und tastbarer werden, daran müssen wir arbeiten. Besonders auch deshalb, weil Ole Kittner nicht mehr für SC Preußen spielt. Doch an dieser Stelle möchte ich es gerne nochmal wiederholen: Die Entscheidung gegen Ole war eine rein sportliche Entscheidung. Ich hätte ihn gerne irgendwie in den Verein eingebunden. Er wollte aber weiterhin als Profi spielen und diese Position kann ich ihm derzeit nicht bieten. Es hat nichts mit dem Menschen Ole Kittner zu tun.

Sie wollen nahbarer werden. Was heißt das? Wo trifft man sie in Münster?
In der letzten Zeit habe ich extrem viel gearbeitet und war viel unterwegs. Daher war ich abends nicht viel in Münsters Gastronomie anzutreffen. Aber ich gehe, wenn es die Zeit zulässt, gerne am Samstag auf den Markt.

Warum haben Sie sich für die Stelle als Sportdirektor bei Preußen entschieden?Weil Sie in Münster leben?
Das wäre zu einfach. Ich bin schon lange im Geschäft und bin nicht sesshaft, wenn es um Jobs geht. Ich hatte hier einfach tolle Gespräche und habe total viel Bock, hier was zu entwickeln. Viele haben gesagt, Münster ist schwierig. Ja, es ist schwierig. Aber ich habe mich noch nie vor Herausforderungen gedrückt.

Wie würden Sie sich als Sportdirektor beschreiben? Worauf legen Sie besonders viel Wert?
In meiner Arbeit pflege ich eine offene Kommunikation, bin Teamplayer und ambitioniert.

 

Notiz: Peter Niemeyer war Profifußballer in der 1. und 2. Bundesliga und spielte bei den Vereinen Werder Bremen, Hertha BSC und SV Darmstadt 98. 2018 beendete er seine aktive Karriere als Fußballer und war von 2019 bis 2020 als Co-Trainer beim FC Twente Enschede (NL) tätig. Niemeyer spricht fließend niederländisch.

Autorin Sabine Roters