Franziskus und ich…

Der Reitsport liegt ihr im Blut: Als Tochter der Dressur- und Vielseitigkeitslegende Reiner Klimke zählt Ingrid Klimke heute zu den erfolgreichsten Reiterinnen Deutschlands. Unzählige Siege im Dressur- und Vielseitigkeitsreiten bei Europa- und Weltmeisterschaften und bei Olympischen Spielen gehen auf das Konto der 54-jährigen.

Bei der diesjährigen WM im dänischen Herning gewann sie mit Hengst Franziskus sogar persönliche Bestleistung und war Siegerin des Grand Prix beim Turnier der Sieger in Münster. Erst vor wenigen Tagen erhielt Ingrid Klimke für ihre Verdienste um den Sport die begehrte Sportplakette des Landes Nordrhein-Westfalen – jetzt freut sie sich auf ihre Masterclass in Aachen.

Ihre Vita ist sehr beeindruckend, die Liste Ihrer sportlichen Erfolge lang. Wenn Sie zuhause im Stall sind: Überkommt einen da manchmal das Gefühl von Dankbarkeit? Vielleicht sogar Demut, dass Sie so viele außergewöhnliche Erfolge erleben dürfen?

Ich bin oft total gerührt. Ich weiß das alles wirklich zu schätzen und bin richtig glücklich und auch dankbar. Ich bin heute froh, dass ich zu Beginn meiner Karriere den Mut hatte, dem Gefühl zu folgen, dass in der Arbeit mit den Pferden meine Berufung liegt. Klar, ich arbeite sehr viel, aber eben auch sehr gerne. Wenn ich dann das Glück habe, bei der Siegerehrung vorne zu stehen und eine Medaille zu bekommen, denke ich auch oft an meinem Vater. Wenn ich mir vorstelle, dass er von oben zuguckt, beseelt mich das richtig.

Auch dieses Jahr waren sie wieder sehr erfolgreich unterwegs, herzlichen Glückwunsch zu Ihren Riesenerfolgen bei der Weltmeisterschaft und in Münster. Wie geht es denn Ihrem Pferd Franziskus, ist er gesund und munter?

Ja, definitiv. Ich glaube, dass Franz die Zeit in Dänemark besonders genossen hat. Er hatte ja das Glück, dass er das einzige Pferd war, das wir dabei hatten. So konnte er ein ganz gutes Wellnessprogramm genießen (lacht). Die Pferde merken ja, wie viel Aufmerksamkeit und Fokus auf ihnen liegt.

Wie viele Stunden am Tag stehen Sie denn im Stall und auf dem Reitplatz?

Das kommt ganz drauf an. Wenn man die Turnierzeiten mitrechnet, war ich zuletzt 13 Tage lang unterwegs. Komme ich dann mit einem Pferd zurück, warten zuhause natürlich alle anderen Pferde auf mich. Da sind die Tage schnell voll. In aller Regel reite ich bis mittags und fahre danach nach Hause. Ich bin auch mit Leidenschaft Mutter und bin froh, dass meine Familie oft mit dabei ist. Meine ältere Tochter, meine Mutter und meine Brüder unterstützen mich zum Beispiel auch auswärts auf Turnieren. Ich bin einfach ein Familienmensch und empfinde solche Tage dann gar nicht als Arbeit.

War Ihnen denn immer schon klar, dass es sportlich in die Dressur geht? Oder hätten Sie sich zum Beispiel auch einen Einstieg in den Polosport vorstellen können?

Also für Polo fehlt mir definitiv das Ballgefühl (lacht). Aber jede Sportart hat ihren eigenen Reiz. Ich habe früher zum Beispiel voltigiert. Was ich heute auf Turnieren im Voltigier- und auch im Springsport zu sehen bekomme, ist wirklich beeindruckend.

Dieser Sommer war ja wieder sehr heiß. Gibt es für Sie persönlich eine Schmerzgrenze, ab der Sie nicht mehr starten, auch aus Rücksicht auf den Partner Pferd? Oder gibt es dazu offizielle Vorgaben?

Ich stelle oft fest, dass extremes Wetter den Pferden viel weniger zu schaffen macht als und Menschen. Pferde können sich erstaunlich schnell anpassen, nicht nur an die klimatischen Verhältnisse, sondern zum Beispiel auch an Tagesstrukturen. Das erleben wir oft, wenn wir mit den Pferden in andere Zeitzonen reisen. Wenn es besonders heiß ist, reiten wir in den frühen Morgenstunden. Die Pferde zeigen auch von sich aus an, ob sie lieber in den kühlen Stall, oder noch auf der Weide bleiben wollen. So wie bei uns Menschen liebt der eine die Hitze im Sommer, tut sich dafür mit der Kälte im Winter schwer, und umgekehrt.

Wie läuft eigentlich so eine Flugreise mit Pferden ab? Sind Sie mit im Frachtraum?

Das ist nicht erlaubt, denn während der Start- und Landephase müssen wir wie alle Passagiere angeschnallt sein. Die Pferde werden in Container eingeladen. Während des Fluges darf dann entweder der Tierarzt oder die Pflegerin zu den Pferden.

Das Wohl der Pferde rückt im Reitsport immer mehr in den Fokus. Denken wir zum Beispiel an die Bilder aus dem olympischen Fünfkampf im letzten Jahr. Verfehlungen von Reitern gibt es sicherlich immer wieder. Wie gehen Sie damit um? Würden Sie andere Reiter ansprechen, die sich nicht tiergerecht verhalten?

Wir sollten uns klarmachen, dass es solche Verfehlungen nicht nur im Spitzensport gibt. Dort werden die Pferde ganz besonders gehegt und gepflegt, sie sind nunmal unsere Sportpartner. 50 Prozent sind das Pferd, 50 Prozent sind der Reiter. Die Reiter machen sich jede Menge Gedanken um das Wohlergehen ihres Pferdes: Ist es gesund, passen die Fütterung, die Weidezeit, die Trainingsbedingungen? Als Reiter muss man einfach die Sprache seines Pferdes verstehen können. Das gilt auch für alle Hobbyreiterinnen und –reiter. Viele Laien erkennen Signale, die das Pferd sendet, gar nicht. Da muss weiter Aufklärung betrieben werden. Viel lernt man, wenn man Pferde untereinander beobachtet, zum Beispiel, wie sie die Rangordnung im Herdenverband klären. Nehmen wir zum Beispiel das Passagieren: Sind Pferde sehr aufgeregt, zeigen manche das als ganz natürliche Gangart, aus sich heraus. Ich kann kein Pferd unter dem Sattel zum Passagieren bringen, wenn diese Form der Bewegung nicht schon in ihm liegen würde. Andere Pferde können sich nicht so bewegen, haben dafür aber unheimlich viel Freude am Sprung. Aus meiner Sicht brauchen wir im Sport also nicht mehr Stewards, die auf die Einhaltung der Regeln achten, sondern wir müssen die Menschen da abholen, wo sie mit ihren Pferden stehen. Ich biete zum Beispiel einmal im Monat ein offenes Training an. Da zeige ich, wie wir die Pferde halten und auch, wie ich trainiere. Es geht mir darum, zu zeigen, welche Philosophie ich vertrete. Ich sehe mich da durchaus in einer Vorbildfunktion. Mir ist es wichtig, mich auch immer wieder selbst zu hinterfragen: Bin ich achtsam und aufmerksam genug? Geht es allen meinen Pferden gut? Das will ich Menschen zeigen und erklären.

Fast 260.000 Menschen folgen Ihnen bei Instagram. Wie wichtig ist Ihnen diese Zahl?

Vor Jahren hat eine Freundin und Mitarbeiterin den Anstoß gegeben, doch auch in den Sozialen Medien präsent zu sein. Klar, ich will am liebsten nur reiten, aber Social Media gehört mittlerweile einfach mit dazu. Auch da spielt das Thema Vorbildfunktion wieder eine Rolle. Wir wollen den Leuten ja auch zeigen, was wir mit unseren Pferden machen.

Wenn Sie wählen müssten: Eine Nacht in der Pferdebox oder im First Class Hotel?

Pferdebox!

Foto / Ingrid Klimke: Andrea Bowinkelmann
Text/ Viola Grötz / Sabine Roters

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Nikolaus-Gewinnspiel!

Unter allen Teilnehmenden, die am Nikolaustag bis 23.59 Uhr folgende Frage richtig beantworten, wird 1x der Reiterkalender von Ingrid Klimke verlost!

Frage: Wo wurde Ingrid Klimke geboren?

Die Antwort bitte per E-Mail senden an: redaktion@muensteraktiv.de

Bei dieser Verlosung entscheidet das Glück – der Rechtsweg ist ausgeschlossen!

 

Den Kalender hat gewonnen: Maya Büchel

Foto: Horst Streitferdt