Während ich schon froh bin, im Sommer meine erste Triathlon-Volksdistanz mit 600 Meter Kraulen zu schaffen, schwamm Anne Haug bereits heute zum Training mal so eben 5 ½ Kilometer. Allein diese Diskrepanz zeigt mir, welche Leistung sie erbringen muss, um bei internationalen Wettkämpfen ganz vorne mitspielen zu können. Und sie kann es. Neben vielen anderen Siegen gewann sie 2019 den Ironman auf Hawaii und stand 2021 in Roth ganz oben auf dem Siegertreppchen. Klar, ich bin absoluter Laie und vergleiche so gesehen Äpfel mit Birnen. Trotzdem – ich ziehe den Hut vor ihr.

Heute ist es draußen kalt und stürmisch, fällt dann mal das Training aus und du sitzt zuhause auf dem Sofa zwecks Erholung?
Nee, es gibt immer etwas zu tun. Auch wenn das Wetter nicht mitspielt, kann ich keinen Trainingstag verschenken.

Was stand denn heute auf dem Plan?
Heute früh habe ich einen Tempodauerlauf gemacht, danach bin ich 5 ½ Kilometer geschwommen und zum Abschluss ging es für knapp drei Stunden mit dem Rennrad auf die Rolle.

Und, bist Du jetzt sehr erschöpft?
Natürlich bin ich nach jedem Trainingstag erschöpft, aber das ist für mich ein ganz normaler Tag.

Du bist Triathlon-Profi und super trainiert. Kämpfst du trotzdem mit Winterspeck?
Mein Körper freut sich eher darüber, wenn ich in der Off-Saison 2-3 Kilo mehr wiege. Das runter geschredderte Wettkampfgewicht im Sommer ist auf Dauer nicht so gesund.

Welcher Sieg war für Dich persönlich wichtiger: Roth 2021 oder der Ironman 2019?
Das kann ich so nicht beantworten. Eine Langdistanz zu finishen ist immer etwas Besonderes und es schwingt jedes Mal großer Respekt und Unsicherheit mit. Bei einer solchen Distanz muss am Wettkampftag alles stimmen, um es ins Ziel zu schaffen. Hawaii war mega und zuhause in Roth zu gewinnen war auch ein sensationelles Gefühl für mich. Gewinnen in so einer Sportart ist immer etwas ganz Besonderes und nie planbar. Daher bin ich sehr dankbar, dass ich so oft schon ganz oben stehen durfte.

Frauen werden in der Sport-Berichterstattung oft benachteiligt. Empfindest Du das genauso?
Ein bisschen schon, es hängt vom Rennen ab. In diesem Jahr findet beispielsweise der Wettkampf der Frauen beim Ironman auf Hawaii am Donnerstag statt; am Samstag sind die Herren dran. Umgekehrt wäre es aus meiner Sicht schöner, da die Einschaltquoten am Wochenende erfahrungsgemäß besser sind. Schließlich müssen Frauen ihre Sponsoren durch TV-Zeiten genauso befriedigen wie die Männer es müssen. Es ist schon so, dass die Kamera immer auf den Herren drauf ist, bis alle im Ziel sind, erst dann kommen die Frauen hinterher. Ich bin jetzt nicht so feministisch unterwegs, aber es wäre schon schön, wenn die Berichtserstattung zeitlich ausgewogener wäre.

Nimmst Du das den Medien übel?
Nein, überhaupt nicht. Die Medien lernten in den letzten Jahren dazu und es ist sicherlich auch nicht leicht, ein so langes Rennen über Stunden spannend rüberzubringen.

Sind die Siegprämien beim Ironman auf Hawaii für Herren und Frauen identisch?
Ja.

„Mein Körper ist eine Maschine“ würdest Du das so von Dir behaupten?
Ja, schon. Klar instrumentalisiere ich meinen Körper. Das ist so. Es gibt so viele Leute, die wie Mechaniker an mir schrauben, wie bei einem Rennwagen, damit ich gut in Form und schnell bin. Ich probiere schon jeden Tag, das Beste aus meinem Körper herauszuquetschen. Je länger die Distanz, desto mehr ist auch die mentale Stärke entscheidend. Geist und Körper müssen im Einklang sein, um lange Distanzen bewältigen zu können. Nur eine gute Maschine zu haben, macht dich nicht zu einem Weltklasseathleten.

Dann ist die Materialschlacht für Dich also nicht entscheidend?
Gutes Material ist heutzutage unabdinglich und ich bin sehr dankbar über meine tollen Sponsoren, die mir das derzeit beste Equipment zur Verfügung stellen. Aber natürlich entscheidet neben dem Material und der körperlichen Fitness, der Kopf zum Schluss ein Rennen. Irgendwann tut eben alles weh und jede Pore schreit „Nein“. Dann muss man Lösungen finden und die finde ich nur in meinem Kopf. Der Ironman ist ein langer Tag und es kommen immer Phasen, in denen man keinen Schritt mehr laufen möchte. Solche Momente sind schwer und mental dagegen zu halten, lernt man durch viele schwere Stunden im jahrelangen Training.

Guckst Du beim Wettkampf auf die Uhr oder geht alles nur nach Gefühl?
Ich laufe komplett nach Gefühl, dann mache ich mich frei von diesen äußeren Dingen. Im Wettkampf ist es mir egal wie schnell ich z.B. laufe und ich versuche einfach nur mein Bestes zu geben. Im Ziel zeigt es sich dann eben, was im Tank war. Doch im Training werden meine Daten natürlich rauf und runter analysiert.

Kannst Du vor dem Ironman auf Hawaii überhaupt schlafen?
Wenig, ich muss eh nachts um etwa 3.00 Uhr aufstehen. Ich gehe zwar um 8.00 Uhr ins Bett und versuche, cool zu bleiben. Aber ich bin auch nur ein Mensch und ganz abschalten kann ich vor einem solchen Tag nicht. Schließlich habe ich das ganze Jahr darauf hingearbeitet und der Druck ist groß, weil ich dann abliefern muss und möchte.

Dan Lorang trainiert Dich, Jan Frodeno und die Rennradprofis von Bora Hansgrohe. Bist du da nicht „eifersüchtig“?
Er trainiert jetzt auch noch meine Konkurrentin Lucy Charles-Barclay. Aber ich kenne Dan bereits aus dem Studium; seit 17 Jahren. Er ist ein guter Freund und der beste Coach der Welt. Es ist klar, dass alle bei ihm trainieren wollen. Und letztendlich kommen mir die Erfahrungen, die er mit den anderen Athleten sammelt, dann auch zugute.

Inwiefern achtest Du auf Nachhaltigkeit im Sport? Kleidung?
Durch Sponsorenverträge bin ich an gewisse Vorgaben gebunden. Aber viele Hersteller haben inzwischen ein nachhaltiges Sortiment, aus dem ich wählen kann. Kollektionen aus den Vorjahren oder Kleidung mit einem falschen Logo gebe ich an Nachwuchsathleten ab, die sich natürlich tierisch darüber freuen. Weggeworfen wird bei mir nichts so schnell.

Was treibt Dich jeden Morgen aus dem Bett?
Meine Ziele. Triathlon ist eine Ausdauersportart, also muss ich mehrmals am Tag, 7 Tage die Woche trainieren. Natürlich fällt es mir manchmal sehr schwer, wenn der Körper schon extrem müde ist. Aber die Motivation ist besser zu werden, jeden Tag, um meine Ziele zu erreichen.

Woher kennst Du Münster?
Ein niemals endendes Streben nach Perfektion zieht mich mehrmals im Jahr zum Bikefitting  bei Gebiomized nach Münster.

Wann bist du das nächste Mal hier?
Definitiv noch vorm Ironman auf Hawaii.

Du lebst in Bayreuth. Gehst Du zu den Bayreuther-Festspielen?
Nein, das schaffe ich zeitlich nicht, im Sommer haben die Wettkämpfe Vorrang.

Was sind Deine Ziele für 2022?
Aufgrund von Corona stehen in diesem Jahr gleich zwei Ironman Weltmeisterschaften auf dem Wetkampfkalender. Dazu kommen ein paar Vorbereitungsrennen.

Autorin: Sabine Roters
Titelfoto: Anne Haug beim Zieleinlauf bei der CHALLENGE Roth. I Quelle: CHALLENGE Roth

Anne Haug beim Bikefitting bei gebioMized in Münster. Quelle: gebioMized Münster