Es surrt laut, während Prof. Dr. Konrad Mertens auf dem Fahrrad sitzt und kräftig in die Pedale tritt. Trotzdem kommt er nicht vom Fleck. Der Hinterreifen ist in einem Gestell aufgehängt und treibt einen Generator an, der für die Geräuschkulisse sorgt. Der Leiter des Labors für Optoelektronik und Sensorik der FH Münster produziert gerade Strom – im besten Fall genug, damit ein angeschlossener Tauchsieder einen Becher Wasser zum Kochen bringt. Aber dazu später mehr. Die Versuchsstation soll Energie erfahrbar machen. Das gleichnamige Projekt wurde 2017 erstmals von einer studentischen Gruppe am Fachbereich Elektrotechnik und Informatik vorgestellt. Nun haben Studierende die Station weiterentwickelt und verbessert.
„Das erste Fahrrad, ein Rennrad, hat uns gute Dienste als Anschauungsobjekt bei Schulbesuchen oder auf Messen geleistet“, berichtet Mertens, der das Projekt initiiert hat und begleitet. „Allerdings war der Transport im Auto recht umständlich. Wir mussten dafür immer einen Reifen abmontieren.“ Auch die Elektronik nahm viel Platz ein. „Es gab einen separaten Monitor, der die erzeugte Leistung darstellte, und eine große Messbox, die alle elektronischen Geräte miteinander verkabelte und die Daten erfasste“, zählt der Hochschullehrer auf. Ein Fall für Lukas Floßbach, Christina Grafe, Daniel Lorenz, Sven Sterthaus und Orcun Sonal: In der Lehrveranstaltung Projektmanagement überlegten die angehenden Elektroingenieur*innen, wie man die Station optimieren kann. Unterstützt wurden sie dabei von Laboringenieur Hendrik Kösters. Ihr Ergebnis ist deutlich kompakter. „Wir haben uns für ein Klapprad entschieden, das sich leichter transportieren lässt“, erzählt Floßbach. „Ein handliches Tablet direkt am Lenker zeigt alle Messdaten an. Die Messbox ist um ein Vielfaches kleiner und kann nun direkt an der Fahrradhalterung befestigt werden.“
Ergänzend zum Tauchsieder im Wasserglas hat die Gruppe außerdem zwei weitere Methoden entwickelt, um die erzeugte Energie zu visualisieren. Sobald man in die Pedale tritt, leuchtet jetzt im Hinterreifen ein Speichenlicht auf – wahlweise zeigt es das FH-Logo oder ein anderes Motiv. Wie viel Strom genau zum aktuellen Zeitpunkt fließt, lässt sich an einem etwa ein Meter hohen transparenten Glaszylinder neben der Versuchsstation ablesen. Je schneller man strampelt, desto mehr Luft strömt aus einem mit der Messbox verbundenen Lüfter im Fuß des Zylinders und desto höher steigt eine golfballgroße Plastikkugel nach oben. Markierungen an der Außenseite der Säule zeigen an, bei welcher Schwebehöhe 150, 450 und 600 Watt erreicht sind. „Bei einem Testlauf ist uns vor Kurzem allerdings der Lüfter durchgebrannt“, erzählt Mertens. „Da waren wir wohl etwas zu schnell unterwegs.“ Ein neuer, robusterer Lüfter ist schon bestellt und soll das Problem lösen.
Und wie lange dauert es nun, um das Wasser im Becherglas zum Kochen zu bringen? „Geübte Radfahrer*innen benötigen dafür rund zehn Minuten und sind danach schon ziemlich erledigt“, erklärt Mertens und ergänzt: „Selbst, wenn wir keine Umwandlungsverluste an unserem Fahrradmodell hätten, müssten wir fünf Stunden lang durchgehend mit 200 Watt in die Pedale treten, um zum Beispiel eine Kilowattstunde zu erzeugen – das ist schon sehr ambitioniert.“ Die Studierenden sind insbesondere von dieser Anschaulichkeit des Projektes überzeugt. „Man denkt im Alltag wenig über den Wert von Strom nach“, berichtet Grafe. „Wer allerdings die Auswahl hat, lange für einen heißen Tee zu strampeln oder einfach den Stecker in die Steckdose zu stecken und einen kleinen Betrag dafür zu bezahlen, weiß unsere Energieversorgung mehr zu schätzen.“ Insbesondere das große Potenzial der regenerativen Energiequellen kann das Projekt vor Augen führen, wenn Mertens parallel ein Solarmodul aufbaut, das einen zweiten Becher Wasser erwärmt. Er betont: „Im Wettkampf gegen das Fahrrad geht das Solarmodul bei gutem Wetter immer als klarer Sieger hervor.“
Quelle: FH Münster